«Unsere ganzheitliche Beratung ist einzigartig»

    SCHWEIZERISCHER DROGISTENVERBAND – Die Branche bewegt sich in einem dynamischen Umfeld mit vielen Herausforderungen wie Regulierungen, EU-Vorschriften und laufende Revision des Heilmittelgesetzes. Der 125jährige Verband setzt auf eine moderne Ausbildung, denn die Zukunft der Drogerien liegt in der umfassenden Fachberatung im Bereich Gesundheit und Selbstmedikation.

    (Bild: zVg) Seit 125 Jahren nahe bei den Menschen: Fachberatung und Selbstmedikation sind die grossen Stärken der Drogerien.

    Die Schweizer Drogerien setzen die ganzheitliche, eigenverantwortliche Gesundheit in den Mittelpunkt und räumen dabei der Selbstmedikation und den natürlichen Heilmitteln eine wichtige Rolle ein. Mit ihrer Beratung tragen sie dazu bei, dass täglich zahlreiche Kundinnen und Kunden sicher und gut informiert ihre Gesundheit pflegen können: «Herr und Frau Schweizer, aber gerade auch Familien mit Kindern, schätzen die kompetente Beratung in unseren Drogerien sehr», sagt Andrea Ullius, Vorsitzender der Geschäftsleitung des Schweizerischen Drogistenverbandes. Drogistinnen und Drogisten kennen sich mit den «klassischen» Medikamenten aus, sind aber auch auf Naturheilmittel spezialisiert. «Dies ist ein weiterer Grund für die Beliebtheit der Drogerie. Die ganzheitliche Beratung ist in der Drogerie einzigartig», so der Leiter Politik und Branche beim SDV.

    Drogerien sind in der Bevölkerung fest verankert. Die meisten Standorte befinden sich dort, wo die Menschen wohnen – also in den Gemeinden und Quartieren. Die Branche hat sich allerdings dahingehend verändert, dass mit weniger Standorten deutlich mehr Umsatz generiert wird. «Mittlerweile setzen die Drogerien über eine Milliarde Franken pro Jahr um.» Es gibt mittlerweile viele so genannte «Mischbetriebe» – eine Kombination aus Drogerie und Apotheke. Dazu Ullius: «Statistisch werden diese Betriebe als Apotheken gezählt. Wir gehen davon aus, dass es in der Schweiz rund 140 Mischbetriebe gibt, 80 davon sind auch Mitglieder des SDV.»

    «Wichtig ist, dass der stationäre und der Online-Handel gleich lange Spiesse haben.»

    Ein Meilenstein für die Drogeriebranche war das Jahr 2019. Seither dürfen Drogerien alle nichtverschreibungspflichtigen Medikamente (Liste D) verkaufen. Konkret sind 550 Medikamente in Drogerien erhältlich, die bisher nur in Apotheken verkauft werden durften. Zudem wurden die Rahmenbedingungen für die Herstellung von Arzneimitteln nach eigener Formel (Hausspezialitäten) verbessert. «Dies ist sehr wichtig, um einerseits den Arzneimittelschatz zu erhalten, andererseits den Kundinnen und Kunden individuelle Präparate abgeben zu können und Versorgungsengpässen entgegenzuwirken», erklärt Ullius.

    Zu wenig Drogistinnen und Drogisten
    Eine Kernkompetenz des SDV ist die Aus- und Weiterbildung. Als Organisation der Arbeitswelt OdA organisiert der Verband den gesamten Bildungsweg von der Grundbildung (4-jährige Berufslehre) bis zur Höheren Fachschule ESD (2-jähriges Vollzeitstudium). «Jährlich schliessen rund 200 bis 250 Lernende die Drogistenlehre mit dem Titel Drogist/Drogistin EFZ ab», freut sich Ullius. «Etwa 15 Prozent der Lehrabgänger besuchen unsere Höhere Fachschule. Das sind zwischen 30 und 35 Personen pro Jahr.» Auch die Drogerien spüren den Fachkräftemangel – denn Drogistinnen und Drogisten EFZ und HF sind gefragte Berufsleute, nicht nur in der eigenen Branche. Sie arbeiten in der Pharmaindustrie, bei Versicherungen oder auch in Arztpraxen. «Insbesondere fehlen uns derzeit Drogistinnen und Drogisten HF. Mit genügend Drogistinnen und Drogisten HF gäbe es schätzungsweise 30 bis 50 Drogeriestandorte mehr.» Der SDV hat deshalb verschiedene Massnahmen eingeleitet. So sollen Drogistinnen und Drogisten, die heute nicht in der Branche tätig sind, zum Wiedereinstieg motiviert werden. «Potenzial sehen wir aber auch bei Absolventinnen und Absolventen der Matura/Berufsmatura oder anderen Gesundheitsberufen». Eine grosse Chance sind auch die Fachfrauen Apotheke EFZ, die als Drogistinnen und Drogisten HF das Team perfekt ergänzen und die Chance für einen Karriereschritt nutzen können.

    «Wir fordern, dass die Selbstmedikation im Gesundheitswesen eine grössere Rolle spielt.»

    Im Drogistenberuf ist die Kompetenz rund um die Gesundheitsthematik zentral. «Unser Schwerpunkt liegt auf der Gesundheitsberatung, weshalb auch dazu vermehrt kostenpflichtige Dienstleistungen angeboten werden.» Darüber hinaus werden die Themen Herstellung von Arzneimitteln nach eigener Formel und Kosmetik forciert. Auch das Thema Digitalisierung gewinnt an Bedeutung. Bezüglich der Berufsausbildung muss auf der Stufe EFZ künftig sichergestellt werden, dass die Lehrabgänger über die notwendigen Kenntnisse verfügen, um in der Drogerie Arzneimittel verkaufen zu können. «Staatliche Bestrebungen, die Ausbildungen zu verwässern (keine Abschlussprüfungen mehr), müssen konsequent bekämpft werden. Zudem müssen die Lehrbetriebe zumindest administrativ entlastet werden», fordert Ullius. Auf HF-Stufe ist die Einführung der international anerkannten Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» zwingend. «Die Höheren Fachschulen und die Fachhochschulen müssen den Universitäten ebenbürtig sein.» Auffällig ist übrigens, dass sich in der Drogeriebranche besonders viele Frauen finden, die über eine höhere Fachausbildung Karriere machen. Dabei ist auch das grosse Angebot an Teilzeitstellen speziell für Mütter sehr willkommen.

    Zu viele Vorschriften aus der EU
    Die Branche engagiert sich auf politischer Ebene. Eine Hauptforderung sind gute Rahmenbedingungen, respektive die Eindämmung der grossen Regulierungswut. «Wir fordern zudem, dass die Selbstmedikation im Gesundheitswesen eine grössere Rolle spielt.» Gemäss Ullius sollen Parlament und Verwaltung nicht nur von Leistungserbringern im Sinne des KVG sprechen, sondern endlich zur Kenntnis nehmen, dass eine Leistung auch ausserhalb des KVG einen Wert hat. «Alle Gesundheitsfachpersonen sind Leistungserbringer, denn sie erbringen täglich eine Leistung für die Allgemeinheit.» Sorgen bereitet dem Verband, dass immer mehr Vorschriften aus der EU übernommen werden. «Das mag für grenzüberschreitend tätige Unternehmen vorteilhaft und richtig sein, für das Schweizer Gewerbe ist es aber fatal», so Ullius. Und er doppelt nach: «Die Kosmetikverordnung und die Chemikalienverordnung sind zwei Beispiele, die uns betreffen. Es wäre ein Leichtes, jeweils Ausnahmeregelungen für Unternehmen vorzusehen, die nur in der Schweiz tätig sind. Früher gab es noch den Swissfinsh, heute hat man den Eindruck, dass die Verwaltung froh ist, wenn sie das ohne grossen Aufwand erledigen kann.»

    Die laufende Revision des Heilmittelgesetzes mit einigen einschneidenden Neuerungen wie die e-Medikation oder die Neuordnung des Versandhandels ist für die Branche eine grosse Herausforderung. Zudem müssen sich die Drogerien auf das Elektronische Patientendossier EPD vorbereiten. «Auch wenn es noch eine Weile dauern wird, bis das neue Gesetz in Kraft tritt, müssen wir jetzt die Weichen stellen.» Ebenso gilt es sich gegen die Konkurrenz aus dem Ausland sowie den Online-Handel zu behaupten. Mit der geplanten Revision des Heilmittelgesetzes und der Neuregelung des Versandhandels wird der Versand von OTC-Präparaten möglich. Dies kann dazu beitragen, dass die Wertschöpfung in der Schweiz bleibt. «Wichtig ist, dass der stationäre und der Online-Handel gleich lange Spiesse haben. Insbesondere bei der Beratung, der Patientensicherheit und der Arzneimittelsicherheit darf es keine Kompromisse geben.»

    Das Potenzial der Branche ist gross, gerade im Hinblick auf die Selbstmedikation, welche hilft, Kosten zu senken – europäische Studien identifizieren ein Sparpotenzial in Milliardenhöhe. «Der 2023 eingeleitete Strategieprozess wird helfen, das Profil der Drogerien weiter zu schärfen», so Ullius. Voraussetzung ist natürlich, dass sich die Rahmenbedingungen nicht einschneidend verändern.

    Corinne Remund

    www.drogerie.ch
    www.vitagate.ch


    DAS MACHT DER SDV

    Für Gesundheit und Wohlbefinden

    Der Schweizerische Drogistenverband feiert heuer das 125-Jahr-Jubiläum. Er wurde 1899 in Olten gegründet und ist aus verschiedenen kantonalen Verbänden hervorgegangen. Heute zählt der Verband rund 500 Mitglieder. Dies sind einerseits Drogerien (Firmenmitglieder) und andererseits diplomierte Drogistinnen und Drogisten HF. Ebenso gibt es noch Passivmitglieder ohne Stimmrecht. Die Drogerien wollen die bevorzugte, lebenslange Anlaufstelle für Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität der Schweizer Bevölkerung sein. Deshalb konzentriert sich der SDV auf die Themen Politik und Branche (Heilmittel- und Gesundheitspolitik. Qualitätsmanagement, Branchenentwicklung, Public Affairs), Bildung (Aus-, Weiter- und Fortbildung, Nachwuchsförderung etc.) und Zentrale Dienste (Mitgliederadministration, Finanzen, Personal, Controlling). Mit der vitagate ag verfügt der SDV über eine Tochtergesellschaft, die eine Vielzahl von Publikationen aus und über die Gesundheitsbranche herausgibt (Drogistenstern, Wirkstoff, d-Mail, Pharmjournal).

    Die Höhere Fachschule für Drogistinnen und Drogisten in Neuchâtel ist die einzige Ausbildungsstätte für Drogistinnen und Drogisten HF und wird vom SDV betrieben. Der Verband bietet für seine Mitglieder eine wissenschaftliche Fachstelle sowie Versicherungslösungen im Sachversicherungsbereich an und verfügt über eine eigene Pensionskasse. Aktuell arbeiten rund 4’400 Drogistinnen und Drogisten (EFZ und HF), sowie 887 Auszubildende in den Schweizer Drogerien. Sie generierten in den letzten Jahren zwischen 1.1 und 1.2 Milliarden Franken.

    CR

    Vorheriger Artikel«Gute Prävention wirkt und zahlt sich aus»
    Nächster ArtikelWinterthur wird für drei Tage zur Hochburg der Jonglierkunst